Die BIEC-Toolbox

Mit freundlicher Unterstützung des Business Innovation Engineering Centers (BIEC) am Fraunhofer IAO, zusammen mit dem Fraunhofer-Startup TecIntelli GmbH.
_____________________________________________________________________________________________________________________

Loading...

powered by TecIntelli
Hintergrund: Die GMI-Toolbox wurde vom BIEC am Fraunhofer IAO gemeinsam mit dem Fraunhofer-Startup TecIntelli GmbH als Webapplikation entwickelt.
_____________________________________________________________________________________________________________________

Beschreibung der BIEC-Toolbox

Die BIEC-Toolbox für Geschäftsmodellinnovationen (GMI) besteht aus mehreren Komponenten. Ausgangspunkt ist der sog. GMI-Prozess – in 5 Schritten zum neuen Geschäftsmodell.
Zu jedem der fünf Schritte sind relevante Leitfragen dokumentiert, deren Beantwortung bei der Eingrenzung der Problemstellung hilft.
Zusätzlich werden passende Methoden zur Bearbeitung der einzelnen Problemstellungen angeboten und in Methodensteckbriefen skizziert. Ein Beispiel sind die Geschäftsmodell-Prinzipien, ein systematischer Katalog an Impulsen und Beispielen für die eigene Geschäftsmodellentwicklung.
Ein weiteres Element ist das für digitale und nachhaltige Geschäftsmodelle entwickelte GMI-Canvas, eine Systematik zum Aufbau von innovativen Geschäftsmodellen.
Im Folgenden werden einzelne Elemente genauer beschrieben.

1. GMI-Prozess für Geschäftsmodellinnovationen

Das BIEC-Phasenmodell mit 5 Schritten zeigt systematisch auf, welche Aufgaben notwendig sind, um erfolgreich ein neues Geschäftsmodell entwickeln und umsetzen zu können.
  1. Die Bedarfsanalyse bildet den Ausgangspunkt. Hier werden mit Hilfe der Toolbox die wesentlichen Grundlagen erarbeitet und zentralen Ziele definiert.
  2. Die Ideenentwicklung umfasst den kreativen Teil. Die Toolbox enthält hier verschiedene Methoden, um Ideen und Ansätze für Geschäftsmodellinnovationen zu generieren. Ein Highlight sind die Prinzipien für nachhaltige und digitale Geschäftsmodelle, eine Art Beispieldatenbank mit spannenden Impulsen aus der Praxis.
  3. In der Phase der Ausgestaltung wird schließlich das neue Geschäftsmodell ausgearbeitet und konkretisiert.
  4. Ganz wichtig: Das frühzeitige Testen des neuen Geschäftsmodells. An dieser Stelle gibt die Toolbox verschiedene Tipps und Tricks, wie neue Geschäftsmodelle ausprobiert werden können.
  5. Und schließlich die letzte Phase, die Umsetzung des neuen Geschäftsmodels. Hier gilt es insbesondere die Markteinführung zu planen und umzusetzen.
Wichtig ist, dass die 5 Phasen nicht starr nacheinander stehen, sondern dass es fließende Übergänge gibt, dass man auch mal wieder eine Phase zurückspringt, wenn es bspw. neue Erkenntnisse gibt.

2. GMI-Canvas für Geschäftsmodellinnovationen

Das BIEC-Canvas dient dazu, alle relevanten Informationen von der Geschäftsmodellidee bis hin zum Geschäftsmodellkonzept zu sammeln und zu verdichten. Es schafft Transparenz, dient der Kommunikation und hilft bei der Koordination des GMI-Prozesses (Wo sind noch Lücken, wo fehlen bspw. noch Informationen? Welche Alternativen bei der Ausgestaltung des Geschäftsmodellkonzeptes gibt es?).
EXKURS “Was ist ein Geschäftsmodell”: Ein Geschäftsmodell führt Kunden und ihre Bedürfnisse mit dem Leistungsangebot und der Wertschöpfung eines Unternehmens zusammen.

# Welche Bedürfnisse haben die Kunden?
# Mit welchen Leistungen können wir den Kunden einen Nutzen bieten?
# Was benötigen wir dafür an Prozessen, Ressourcen und ggf. Partnern?


Dieser Dreiklang bildet den Kern eines Geschäftsmodells. Ein weiteres Element darf nicht außen vor gelassen werden: die Finanzen.

Wie sieht das Erlösmodell aus?

Der Vorteil eines Geschäftsmodells ist, dass die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Elementen jederzeit geprüft und bei Bedarf Alternativen durchgespielt werden können.
Die vom BIEC entwickelte einfache Systematik des GMI-Prozesses für Geschäftsmodellinnovationen fasst die wesentlichen Strukturelemente von Geschäftsmodellen zusammen. In der Toolbox sind die relevanten Leitfragen sowie entsprechende Tipps und Tricks enthalten.
Es empfiehlt sich zudem, von Beginn an im GMI-Canvas explizit den Bezug zu den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit herauszuarbeiten. Dabei können folgende Leitfragen helfen:
  1. Leistung: Welche Rolle spielen Digitalisierung und Nachhaltigkeit beim neuen Leistungsangebot?
  2. Kunde: Welche Potenziale bieten Digitalisierung und Nachhaltigkeit Ihren Kunden? Welche neuen Kundengruppen können evtl. sogar erschlossen werden?
  3. Aktivitäten: Welche Rolle spielen Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Rahmen der notwendigen Aktivitäten und Prozesse?
  4. Ressourcen: Welche Rolle spielen digitale Ressourcen? Welche Rollen spielen Ressourceneffizienz und der Nachhaltigkeitsaspekt bei den Ressourcen?
  5. Netzwerk: Welche (externen) Partner werden für das neue digitale und/oder nachhaltige Geschäftsmodell benötigt?
  6. Finanzen: Welche (neuen) Erlösmodelle ergeben sich durch den Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsbezug?
  7. Externe Einflussfaktoren: Welche externen Rahmenbedingungen müssen berücksichtigt werden (bspw. Gesetzgebung mit Nachhaltigkeitsbezug)?
  8. Interne Einflussfaktoren: Welche internen Voraussetzungen müssen berücksichtigt werden (bspw. Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens)?

3. Praxisbeispiel: Die Türbau GmbH

Ausgangssituation

Das mittelständische Unternehmen beobachtet schon seit längerem die Entwicklungen bzgl. Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Neue Werkstoffe wie biobasierte Kunststoffe, Recycling von Türen und Wertschöpfungskreisläufe sind für das Unternehmen damit bereits ein Thema.
In letzter Zeit ist zusätzlich mit Blick auf den technologischen Fortschritts bei der digitalen Vernetzung und die Einsparung von Energie das Thema Smart Home stärker  in den Fokus gerückt. Hier will das Unternehmen nun aktiv werden.
Aktuell werden noch traditionelle Türen mit einem einfachen Schloss mit Schlüssel angeboten.

Ziel

Es soll ein neues Geschäftsmodell für digitalisierte Türen mit einem elektronischen Schloss entwickelt werden, um dem gesteigerten Sicherheitsbedürfnis und dem Vernetzungsgedanken der Kunden Rechnung zu tragen.
Dafür initiiert das Unternehmen ein internes Projekt, in dem mit Hilfe der GMI-Toolbox ein neues Geschäftsmodell ausgearbeitet wird.

Entwicklung des Geschäftsmodells

Auf Basis der Struktur des GMI-Canvas erarbeitet das Unternehmen Schritt für Schritt die einzelnen Geschäftsmodell-Elemente:
Das Leistungsangebot: Dem Kunden soll ein neuartiges smartes Türschloss anbieten, das sich über eine App steuern lässt (Zugang per Smart-Phone). Zusätzlich  soll ein 24h-Notfall-Service angeboten werden, der im Fall von Problemen Unterstützung durch einen Servicetechniker innerhalb von einer Stunde garantiert. Diesen Zusatzservice kann sonst niemand anbieten. Durch dieses Angebot kann das Unternehmen den Kunden einen komfortablen Zugang, das Steuern dieses Zugangs, auch wenn man nicht zu Hause ist (z.B. Türöffnen für Paketboten), und weitere Hilfe im Fall von Problemen innerhalb einer Stunde bieten. Dieses Leistungsbündel (smartes Türschloss mit Steuerung per App und Hilfe innerhalb von einer Stunde) kann die Türbau GmbH nur durch den Einsatz digitaler Technologien sowie durch ein Netzwerk an lokalen Partnern umsetzen.
Die Kundenseite: Die Türbau GmbH zielt mit dem neuen Geschäftsmodell vor allem auf Kunden der Generation Y ab, die mit verschiedensten Apps und anderen digitalen Services aufgewachsen ist. Diese Zielgruppe ist dem Thema Smart Home gegenüber besonders aufgeschlossen. Die anvisierten Kunden haben einen hohen Bedarf an bequemen, sicheren, nachhaltigen sowie digitalen Lösungen für alltägliche Belange. Diese Zielgruppe bestellt zudem oft Waren online, deren Lieferung ist oftmals ein Ärgernis: Wenn niemand die Pakete entgegen nehmen kann, müssen diese in einer Filiale abgeholt werden. Über die App und ein Portal sind alle relevanten Informationen für den Kunden einsehbar. Hierüber werden auch aktuelle Nachrichten gesendet. Bei Fragen und Problemen unterstützt ein Chatbot. Für den Notfall gibt es eine Telefonhotline. Der Kunde kann bequem weitere Leistungen dazubuchen.
Aktivitäten und Prozesse: Der erste Schritt ist der Verkauf einer Tür mit einem elektronischen Türschloss durch die Türbau GmbH. Diese bietet ihre Produkte bislang in einem physischen Showroom in der Zentrale an. In Zukunft soll das Angebot auch über einen Webshop beworben und verkauft werden. Zur Erstellung des Leistungsbündels muss zunächst eine Tür inkl. der erforderlichen elektronischen Bauteile beschafft  und produziert werden. Die Tür muss dann im Anschluss dem Kunden ausgeliefert, vor Ort montiert und „ans Netz“ gebracht werden. Abschließend wird eine Dokumentation ausgehändigt. Während des Betriebs der Tür muss ein Netzwerk aus Servicetechnikern gepflegt und im Falle einer Störung gesteuert und koordiniert werden. Zusätzlich muss der Kunde über Updates und Verbesserungen auf dem Laufenden gehalten werden.
Ressourcen: Zur Erbringung des Leistungsangebots eines elektronischen, per App steuerbaren Türschlosses benötigt die Türbau GmbH neue elektronische Komponenten sowie mehr Bauraum in den bisher analogen Türen. Diese Komponenten müssen zu jeder Zeit in ausreichender Menge vorhanden sein. Neben der notwendigen Hardware muss eine App entwickelt und angeboten werden, über welche die Steuerung erfolgen kann. Darüber hinaus müssen Server eingerichtet werden, über die die Kommunikation zwischen App und Tür abläuft. Wenn der Server eingerichtet ist, stehen die im Laufe der Zeit gespeicherten Nutzerinformationen ebenfalls als Ressource für weitere Zusatzleistungen zur Verfügung. Für die Zusatzleistung des „Servicetechnikers innerhalb von 1h“ benötigt die Türbau GmbH zusätzlich ein stabiles und zuverlässiges Kommunikationsnetz zwischen einer Zentrale und den Servicetechnikern vor Ort sowie evtl. neue Endgeräte.
Netzwerk: Durch das neue Leistungsangebot ergeben sich für die Türbau GmbH neue Partnerschaften. So werden für die elektronischen Bauteile neue Lieferanten erforderlich. Ebenso werden für die Vernetzung der Tür mit der App neue Partner benötigt. Darüber hinaus sind bei einem Vertrieb der Türen über das Internet neue Kooperationspartner erforderlich, die einen derartigen Onlineshop umsetzen und betreiben können. Ergänzend soll mit lokalen Vertriebspartnern ein Vertriebsnetzwerk aufgebaut werden. Auch dafür müssen entsprechende ERP-Lösungen weiterentwickelt werden. Zusätzlich ergibt sich durch das Zusatzangebot eines Notfallservices innerhalb von einer Stunde die Notwendigkeit eines engmaschigen Netzwerkes von Servicetechnikern, die bereit sind, diese Aufträge vor Ort zuverlässig zu übernehmen. Weitere Kooperationspartnerschaften ergeben sich unter anderem auch mit Anbietern zum Thema Smart Home. Impuls von einem potenziellen Partner: Elektronische Zugangssysteme per App nicht nur im privaten Home-Bereich, sondern gerade im beruflichen Umfeld. Neue Zugangsberechtigungen müssen dann nicht umständlich per neuem Schlüssel, Umprogrammieren der Zugangskarte etc. umgesetzt werden, sondern einfach per Software-(App-)Update im Hintergrund quasi per Mausklick.
Finanzen und Erlösmodell: Die Türbau GmbH möchte ihre Türen mit intelligentem Schloss und Service auf zwei Wegen verkaufen: 1. Einmaliger Kaufpreis, der den Service (Funktionsfähigkeit, Updates) für 5 Jahre beinhaltet; danach muss ein neuer Servicevertrag abgeschlossen werden. 2. Mietmodell mit halbjährlicher Rate; nach fünf Jahren wird das intelligente Türschloss bei Bedarf ausgetauscht; nach zehn Jahren gibt es eine neue Tür mit den neusten Features. Der Service-Einsatz vor Ort ist auf einen Einsatz pro Jahr bei den beiden Optionen inkludiert. Bei weiteren Einsätzen werden die Kosten nach Aufwand in Rechnung gestellt. Auf der Kostenseite stehen eigene Aufwände für die Produktion und Inbetriebnahme der Türen und des elektronisches Türschlosses sowie Updates und die Vergütung der Partner. Für die Qualifizierung von Mitarbeitenden für die Komponente des elektronischen Türschlosses sind Schulungsmaßnahmen notwendig.
Bereits dieses kleine Beispiel zeigt, dass eine prinzipiell relativ einfache Idee für ein neues Geschäftsmodell eine komplexe Aufgabe darstellt. Umso wichtiger ist es, systematisch und Schritt für Schritt sich der Lösung zu nähern, alternative Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen und ggf. auch einmal ein oder zwei Schritte zurückzugehen.
Für die Türbau GmbH könnte das bspw. bedeuten, dass der ursprünglich geplante zusätzliche Service erst in einer späteren Phase angegangen wird. Und das ist auch eine Haupterkenntnis und eine zentrale Empfehlung, Geschäftsmodellinnovationen sind kein einmaliger Prozess.
Vielmehr sollte die Weiterentwicklung des bestehenden Geschäftsmodells sowie die Erschließung der Chancen, die sich durch potenziell neue Geschäftsmodelle ergeben, fester Bestandteil in einem Unternehmen sein. Die Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Green Innovation bieten an dieser Stelle zahlreiche Möglichkeiten, das eigene Leistungsangebot gezielt weiterzuentwickeln.