Best Practice

Elektromobilität und ZIM als Motor für Technologietransfer

01.08.2021 - Der Einzug der Elektromobilität in die Verkehrswelt und Nachhaltigkeitsthemen, wie die Minimierung von Energieeinsatz oder die Reduzierung des Emissionsausstoßes führen zur ständigen Weiterentwicklung von Fahrzeugen, so auch im Nutzfahrzeugbau. Bei klassischen Kühlfahrzeugen werden die Kälteanlagen über die Fahrzeugmotoren oder zusätzliche Dieselmotoren angetrieben. Diese Antriebstechnologien scheiden im Elektrofahrzeugbau aus und müssen für die Kälteversorgung neu gedacht werden. Gibt es alternative Kältetechnologien für Kühlfahrzeuge – zur Beantwortung diese Fragestellung ist neben Entwicklergeist und Ingenieurskunst auch Technologiewissen gefragt? Genau vor dieser Herausforderung stand der Kühlfahrzeuge-Spezialist Kress Fahrzeugbau GmbH aus dem baden-württembergischen Meckesheim südöstlich von Heidelberg. Wir haben mit Joachim Kress, Geschäftsführer des mittelständischen Familienunternehmens in dritter Generation gesprochen.
Herr Kress, Sie suchten nach einer alternativen Kältetechnologie für Kühlfahrzeuge, wo es doch elektrische Antriebe für Kälteanlagen und –kompressoren gibt?
Ja, diese Möglichkeit des elektrischen Antriebs von Kältekompressoren gibt es tatsächlich. Dadurch würde aber die Fahrzeugbatterie zusätzlich belastet und somit die Reichweite des Elektrofahrzeugs verringert werden. Das wollten wir möglichst vermeiden. Also musste eine Alternative her. Diese sollte einen minimalen Energiebedarf im Fahrbetrieb haben und unabhängig vom Fahrzeugantrieb laufen. Die CO2- und Geräuschemissionen sollten ebenfalls minimal sein.
Bild: Geschäftsführer Joachim Kress des mittelständischen Familienunternehmens Kress Fahrzeugebau GmbH
Nachdem die grundlegenden Projektziele festgelegt waren, wie sind Sie vorgegangen?
Wir hatten schon aus einem früheren Projekt gute Kontakte zur Hochschule Mannheim. In mehreren Gesprächen über die Problematik des Elektroantriebs, wie auch über Probleme der Kälteversorgung von Pharmatransporten, konnten wir schrittweise einen Lösungsansatz herausarbeiten. Die Experten für Phasenwechselmaterialien am CeMOS (Center for Mass Spectrometry and Optical Spectroscopy) der Hochschule Mannheim hatten vielversprechende Erfahrungen.
Das klingt ja sehr spannend, beschreiben Sie Ihren Lösungsansatz und die eingesetzte Technologie näher.
Wir entwickelten ein neues Kühlkonzept, das auf einem Latentwärmespeicher basiert. Latentwärmespeicher, auch Phasenwechsel- oder PCM (phase change material)-Speicher genannt, enthalten ein sogenanntes Phasenwechselmaterial, welches einen Großteil der zugeführten thermischen Energie in Form von latenter Wärme speichern kann. Die gespeicherte Wärme ist verborgen da und solange die Phasenumwandlung des Materials (z.B. von fest nach flüssig) nicht ganz abgeschlossen ist, steigt die Temperatur trotz Wärmezufuhr nicht weiter an. So können in einem kleinen Temperaturbereich rund um den Phasenwechsel sehr große Wärmemengen gespeichert werden. Dieses Prinzip wollten wir uns als Kältetechnologie für unsere Kühlfahrzeuge zu Nutze machen. Zur Umsetzung mussten ein geeignetes Phasenwechselmaterials gefunden werden und seine Verwendung und der Wärmeübergang optimiert werden.
Wie kam der Kontakt zwischen der Hochschule Mannheim zustande?
Der Kontakt zur Hochschule Mannheim kam über die IHK Rhein-Neckar zustande. Wir hatten vor vielen Jahren bei der IHK angefragt und uns nach Möglichkeiten der technologischen Unterstützung erkundigt. Damals ging es um aerodynamische Computersimulationen und -optimierungen. Dadurch kam der Kontakt zu Dr. Thilo Schenk, Innovationsberater der IHK Rhein-Neckar zustande. Er hatte uns persönlich beraten und uns zu den Möglichkeiten des Technologietransfers und Fördermitteln informiert. Damals wurde bereits der Kontakt zur Hochschule Mannheim hergestellt.
Nachdem sich die Kontakte zur Hochschule Mannheim bereits bewährt hatten, wie ging es mit dem Latentwärmespeicher-Projekt weiter?
Dieses Projekt sollte über eine ZIM-Förderung (ZIM: Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand) finanziert werden. Unser Partner an der Hochschule Mannheim war das CeMOS mit seiner Expertise für Phasenwechselmaterialien. Das Institut hatte bereits eine jahrelange Erfahrung mit ZIM-Projekten und übernahm daher auch das Projektmanagement. Als zweiter Partner kam das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ins Spiel. Die Experten dort führten rechnergestützte Simulationen zur Wärmeübertragung und Strömung durch. Dadurch konnten frühzeitig wichtige Erkenntnisse im Entwicklungsprozess gewonnen werden. Mit der XS Groupe hatten wir als dritten Partner, einen französischen Engineering Dienstleister mit an Bord. Die französischen Ingenieure und Techniker hatten eine große Erfahrung auf dem Gebiet von Wärmeübertragung mittels „Heat-Pipes“. Dieses Konzept der „Heat-Pipe“ schien für unser Projekt sehr interessant.
Wie ist der aktuelle Projektstand und wann kommen die ersten Fahrzeuge auf den Markt?
Offiziell ist das ZIM-Projekt abgeschlossen. In der Realität stehen noch verschiedene Aufgaben an, beispielsweise die Durchführung von Versuchen bei wärmeren Außentemperaturen zum Erkenntnisgewinn. Die nächste Messe unserer Branche wird wohl erst nächstes Jahr wieder stattfinden. Hier werden wir das neue Kühlkonzept vorstellen, sprechen aber in der Zwischenzeit bereits mit ausgewählten Kunden über die Möglichkeiten von Feldtests. Ein weiterer wichtiger Schritt bis die ersten Fahrzeuge auf der Straße rollen ist die Optimierung der Fahrzeugfertigung.
Herr Kress, vielen Dank für die vielen Details zur Projektumsetzung, können Sie ein paar Worte zu ihren gewonnenen Erfahrungen mit ZIM und dem Nutzen von Kooperationen sagen.
Forschung und Entwicklung ist natürlich immer mit Rückschlägen verbunden. Wenn Lösungsansätze und Konzepte nicht zum gewünschten Ziel führen, müssen immer wieder alternative Wege gefunden werden. Aber dadurch lernt man als Unternehmen und als Entwickler viel dazu und kommt dem Ziel näher. Grundsätzlich ermöglicht ZIM Entwicklungsprojekte, die ohne diese Förderung sicherlich sehr viel schwerer umzusetzen wären. Neben dem finanziellen Aspekt liegt der Nutzen vor allem auf der Ebene des Wissenstransfers. Durch die Kooperation mit den Hochschulen hatten wir Zugang zu einem sehr breiten Expertenwissen. Das ist wirklich ein großer Vorteil.
Gibt es etwas was Sie anderen Unternehmen auf den Weg geben können, wenn Sie sich für ZIM entscheiden?
Durch die verschiedenen Partner sind natürlich auch verschiedene Interessen und Prioritäten im Spiel. Daher ist es wichtig, vorab unter den Partnern die Ziele und Prioritäten klar zu definieren. Die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Partner im Fördergeschäft macht die Umsetzung, speziell im administrativen Bereich, sehr viel einfacher. Mit dem CeMOS hatten wir Experten auf vielen Feldern im Projekt. Als Routiniers im Fördergeschäft kennen sie auch die unternehmerische Denkweise. Das hat gut funktioniert.
Vielen Dank, Herr Kress für die spannenden Einblicke in die Entwicklung der neuesten Kühlfahrzeuge-Generation. Für eine reibungslose Markteinführung Ihrer neuen Elektrokühlfahrzeuge wünschen wir Ihnen viel Erfolg.
Das Best Practice der Kress Fahrzeugbau GmBH zeigt sehr schön, wie die verschiedenen Ebenen des Technologietransfers, wie Beratung zu Technologien und Förderprogrammen, Kooperationsanbahnung und –vermittlung und Projektumsetzung mit Hilfe von Fördermitteln ineinander greifen können. Technologietransfer findet tatsächlich dort statt, wo Wissen und Expertise in andere Bereiche fließen. Ausgangspunkt für das ZIM-Verbundprojekt waren in diesem Fall die Beratung durch den Technologietransfers der IHK Rhein-Neckar, die in einer Kooperationsanbahnung mit der Hochschule Mannheim und zu einem neuen Lösungsansatz, einer Kältetechnologie ohne elektrischen Antrieb“ führte. Die Umsetzung des Projektes erfolgte neben der Beteiligung des CeMOS der Hochschule Mannheim mit zwei Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft über eine Förderung des Mittelstandsprogramm ZIM. Die Projektmanagementerfahrung bei ZIM und das breite Expertenwissen der beteiligten Partner waren bei der Durchführung von entscheidender Bedeutung.
Kontakt:
Technologietransfer der IHK Rhein-Neckar
Dr. Thilo Schenk, Innovationsberater und Martin Preil, Technologietransfermanager
Marketing und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Ulrike Bolz
Projektmanagerin Baden-Württembergischer Technologietransfer
IHK Reutlingen